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prcd-PRA (Progressive Retina Atrophie) in der Großspitzzucht

Am 21.Sptember 2014 schlug die Nachricht, dass eine Schweizer Züchterin von weißen Großspitzen ihre weiße Großspitzhündin von einem Rüden hat decken lassen, der Träger des Defektgens prcd-PRA ist, wie eine Bombe in der Welt der weißen Großspitzzüchter ein.

 

Was ist daran so spektakulär?

 

Dass zwei Hunde miteinander verpaart werden, von denen einer ein Defektgen für eine Krankheit besitzt, die rezessiv vererbt wird, ist nichts Ungewöhnliches, z.B. der Merle-Faktor bei Collies, Shelties, Australian Shepards usw.. Bei diesen Rassen gehört dieses Defekt-Gen zum Inventar der Rasse und man geht damit mehr oder weniger sorgfältig um.

 

Das Defektgen prcd-PRA, verantwortlich für eine unheilbare Augenkrankheit, die zwangsweise zur Erblindung führt, war für die Rasse Deutscher Großspitz bis 2002 gänzlich unbekannt.

 

Erst durch den Import von zwei American Eskimo Dog Hündinnen aus den USA wurden die Züchter von weißen Großspitzen mit dieser Krankheit konfrontiert, denn bei den American Eskimo Dogs ist diese Krankheit eine typische Erbkrankheit. Die beiden Hündinnen wurden in das Zuchtbuch des Deutschen Spitzvereins als Großspitze aufgenommen, das Problem PRA war damit erledigt, denn Deutsche Großspitze haben keine PRA.

 

Auch als 2006 ein Gentest auf dem Markt kam, der zweifelsfrei das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein des Defektgens prcd-PRA bei den betreffenden American Eskimo Dog Hündinnen hätte nachweisen können, wurde dieser Test nicht durchgeführt. Es gab auch von Seiten der Hauptzuchtwartin des deutschen Spitzvereins keinerlei Aktivitäten, um das möglicherweise vorhandene Problem PRA in der Großspitzpopulation mit Hilfe des Gentestes zu klären. Auch ein entsprechender Antrag auf der Generalversammlung des Vereins für Deutsche Spitze für die PRA-Testung von Hunden mit American Eskimo Dog Vorfahren wurde abgelehnt, kein Handlungsbedarf!

 

Auch als 2009 eine Tierärztin mit Praxis-Schwerpunkt Genetik den Posten der Hauptzuchtwartin übernahm, blieben die beiden American Eskimo Dog Hündinnen unbehelligt, sie durften sich weiter vermehren. Das ist schon sehr verwunderlich, denn als Tierärztin war die Hauptzuchtwartin sowohl über die Krankheit prcd-PRA als auch über den vorhandenen Gentest zu 100% informiert. Anstatt ihrer ärztlichen Pflicht nachzukommen und eine mögliche weitere Verbreitung des Defektgens prcd-PRA in der Großspitzpopulation zu verhindern, tat sie genau das Gegenteil: sie empfahl bei Registerhündinnen (Hündinnen mit z.T. unbekannten Vorfahren) die beiden Söhne der importierten American Eskimo Dog Hündinnen als Deckrüden einzusetzen, für die ebenfalls keine Gentests durchgeführt worden sind.

 

So konnten allein die beiden American Eskimo Dog Hündinnen im Zeitraum von 2005 bis 2011 insgesamt 8 Würfe mit zusammen 33 Nachkommen in die deutsche Großspitzpopulation einbringen, alle auf prcd-PRA ungetestet. Diese 33 Nachkommen haben sich bis heute auf 139 vermehrt und sind europaweit anzutreffen.

 

Für diese weitere Vermehrung haben seit 2009 insgesamt 15 verschiedene Züchter in Deutschland, Finnland und Tschechien gesorgt, alle mit dem Wissen ausgestattet, dass sie möglicherweise Welpen mit dem Defektgen prcd-PRA in die Welt setzen.

 

In den letzten 2 Jahren gab es einige wenige Hunde, die wegen eines möglichen Zuchteinsatzes auf prcd-PRA getestet wurden, sowohl mit negativem als auch mit positivem Ergebnis. Zu diesen getesteten Großspitzen gehört auch der Rüde, der als Deckrüde und Träger des prcd-PRA Defektgens in der Schweiz zum Einsatz kam.

 

Die schweizerische Züchterin begründet ihre Entscheidung für diesen belasteten Rüden wie folgt: „Uns erscheint die Verpaarung mit einem prcd-PRA Träger sinnvoller als eine verwandtschaftlich sehr enge Verpaarung“. Welchen anderen Rüden die Züchterin bei dieser Aussage zur Auswahl hatte, ist mir unbekannt. Bekannt ist mir aber, dass nur 50 km entfernt von dem belasteten Rüden ein Deckrüde zur Verfügung steht, der negativ auf PRA getestet ist und dessen Vorfahren genetisch fast ebenso gut zu der Hündin passen wie bei dem belasteten Rüden, da auch der gesunde Rüde die von der Züchterin gewünschten American Eskimo Dogs als Vorfahren besitzt.

 

Es ist anerkannte Lehrmeinung in der Populationsgenetik, dass Hunde, die Träger von Defektgenen sind, nicht aus der Zucht ausgeschlossen werden sollen, um die Population und damit die genetische Varianz nicht weiter zu verkleinern. Es ist aber auch anerkannte Lehrmeinung, dass diese belasteten Hunde nur dann zum Deckeinsatz kommen, wenn gesunde Hunde mit ähnlich guten Verpaarungswerten nicht zur Verfügung stehen.

 

Ich beobachte in den letzten Jahren, dass unter den Züchtern mittlerweile ein Wettbewerb um die beste Verpaarung mit den besten, also den niedrigsten IK und AV-Werten (Inzucht und Ahnenverlust) ausgetragen wird. Das ist im Ansatz positiv zu bewerten, denn so bemüht sich jeder Züchter um die bestmögliche Verpaarung. Es darf jedoch nicht dazu führen, dass um jeden Preis und hier meine ich den Preis von bewusst eingesetzter Erbkrankheit, ein extrem niedriger Inzucht-und Ahnenverlustwert erreicht werden soll.

 

Die schweizerische Züchterin spricht auch von der Vision, dass man bei kontrolliertem Zuchteinsatz der belasteten Hunde mittels des Gentestes dieses Defektgen (die Züchterin spricht vom Träger-Gen) sogar wieder herauszüchten kann.

 

Da stellt sich bei mir die einfache Frage, wieso erst das Defektgen hinein züchten, um es dann wieder heraus zu züchten? Nehmen wir doch gleich den Rüden, der das Defektgen nicht besitzt!

 

Wir haben mittlerweile nach meiner Recherche 74 Großspitze, die Nachfahren der beiden American Eskimo Dog Hündinnen sind, die genetisch gesehen aber sehr unterschiedlich sind, da 15 verschiedene Züchter mitgewirkt haben. Keiner dieser 74 Großspitze ist älter als 3 Jahre, ein hervorragendes Deckpotential für die Einbringung der American Eskimo Dog Linie in die Großspitzpopulation, natürlich nach Testung mit dem prcd-PRA-Gentest und damit Feststellung der prcd-PRA freien Großspitze.

 

Ich bin sehr gespannt darauf, welche Maßnahmen nun von der Hauptzuchtwartin zur Lösung des hausgemachten PRA-Problems bei den weißen Großspitzen getroffen werden. Warten wir es ab!