ZUCHTPLANUNG

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Wie ist es heute um den Großspitz bestellt?

Seit mehr als 15 Jahren beobachte ich aufmerksam das Geschehen rund um die Großspitzzucht in Deutschland und im europäischen Ausland.

 

 

Züchter-und Zuchtpotential

Es gab in diesen 15 Jahren etliche Aktivitäten seitens der Züchter insbesondere nachdem 2003 der Großspitz als extrem gefährdet auf der Roten Liste der GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Nutztierrassen e.V.) erschien und zum Publikumsliebling der Medien avancierte. In den letzten 10 Jahren hat sich die Zahl der aktiven Großspitzzüchter deutlich vergrößert, in Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, aus einer Handvoll Züchter sind drei Handvoll geworden, von denen manche leider nur einmalig einen Wurf aufziehen. Mit steigender Anzahl von Züchtern sind die Welpenzahlen pro Jahr kontinuierlich gestiegen, so dass es um die Zukunft des Großspitzes rosiger als vor 10 Jahren aussehen sollte. Das Gegenteil ist der Fall.

 

 

Registerhunde und American Eskimo Dogs

Mindestens die Hälfte der aktiven VDH-Züchter in Deutschland züchten mit sogenannten Registerhunden, d.h. die Vorfahren eines der Elterntiere sind nicht bekannt bzw. besitzen keine VDH-anerkannten Ahnennachweise. Verpaarungen mit Registerhunden wurden durch die Hauptzuchtwartin des Vereins für Deutsche Spitze streng reglementiert, wobei bevorzugt Nachkommen der seit 2003 importierten American Eskimo Dogs für eine Verpaarung empfohlen und eingesetzt wurden. Die Rasse „American Eskimo Dog“ ist gekennzeichnet durch das Auftreten der Erbkrankheit PRA (Progressive Retinaatrophie, führt unheilbar zur Erblindung). Obwohl seit 2005 ein Gentest für die Diagnose des prcd-PRA-Defektgens zur Verfügung gestanden hat, sind weder die importierten Hündinnen noch deren Nachkommen mit diesem Gentest untersucht worden. So konnten allein die beiden American Eskimo Dog Hündinnen im Zeitraum von 2005 bis 2011 insgesamt 8 Würfe mit zusammen 33 Nachkommen in die deutsche Großspitzpopulation einbringen, alle auf PRA ungetestet. Diese 33 Nachkommen haben sich bis heute auf 139 vermehrt und sind europaweit anzutreffen.

 

Seit kurzem ist im Zusammenhang mit einem Deckeinsatz in der Schweiz die Trägerschaft für das prcd-PRA-Defektgen bei einem Großspitzrüden durch den Gentest nachgewiesen worden. Mit weiteren Trägern des prcd-PRA-Defektgens in der heutigen Großspitzpopulation muss gerechnet werden.

 

 

Risikofaktoren PRA und HD

Neben dem Risikofaktor PRA bei den Nachkommen der American Eskimo Dogs ist der Risikofaktor HD bei den im Ausland gezüchteten Großspitzen unbedingt zu berücksichtigen. In Deutschland darf ein HD-C kranker Großspitz nur mit einem HD-A freien Großspitz verpaart werden. Im europäischen Ausland wird das HD-Risiko nicht so eng gesehen, in der Schweiz darf und wird HD- B mit HD-C verpaart, in Tschechien und in den Niederlanden fehlt das HD-Röntgen sogar als Pflichtuntersuchung für die Großspitze.

 

 

Deckrüdeneinsatz in kleinen Populationen

Die europäische Großspitzpopulation ist sehr klein und stellt damit aus populationsgenetischer Sicht eine gefährdete Population dar. In derartigen Populationen ist die einfachste Möglichkeit einer weiteren genetischen Verarmung entgegenzuwirken die Decklimitierung der Rüden insbesondere der jungen Rüden.

 

In Schweden geht man beim Einsatz von Deckrüden davon aus, dass auf einen Rüden nicht mehr als 5 % der Welpen einer Generation zurückgehen sollten. Nimmt man eine Großspitzgeneration mit 2 Jahren an und rechnet man aktuell mit 120 Welpen in einer Generation, so sollte ein 4-jähriger Großspitzrüde 6 Nachkommen besitzen, ein 6-jähriger Rüde 12 Nachkommen, ein 8-jähriger Rüde 18 Nachkommen, ein 10-jähriger Rüde 24 Nachkommen.

 

Das ist die Beschreibung des Idealfalles, aber wie sieht die Wirklichkeit aus? Es scheint, als ob der Begriff der Deckrüdenlimitierung bei vielen Züchtern und Deckrüdenbesitzern ein Fremdwort wäre, denn sonst wären z.B. 89 Nachkommen bei einem weißen 13-jährigen Großspitz oder 64 Nachkommen bei einem schwarzen 10-jährigen Großspitz eigentlich nicht möglich. Andere Beispiele sind Folgende: Ein weißer Großspitz zeugt zwischen seinem 4.und 7.Lebensjahr in 3 Jahren bei 6 Würfen 33 Nachkommen, wobei 3 Würfe mit derselben Hündin erfolgen. Ein schwarzer Großspitz zeugt zwischen seinem 2. und 5.Lebensjahr mit ein und derselben Hündin in 37 Monaten mit 4 Würfen 29 Nach-kommen. Die Liste lässt sich beliebig fortführen, denn die Züchter bzw. Deckrüdenbesitzer, die verantwortungsvoll ihre Würfe bzw. Deckeinsätze planen, sind leider in der Minderheit.

 

 

Meine Entscheidung

Nach 7 Jahren Zuchtpause möchte ich endlich in die Großspitzzucht zurückkehren und habe mir vorgenommen, trotz der vorangegangenen Überlegungen über die aktuelle Großspitzpopulation, gesunde Großspitze zu züchten.

 

Gesunde Großspitze zeichnen sich dadurch aus, dass sie

  • langlebig sind
  • keine HD (Hüftgelenkdysplasie) besitzen
  • keine Zahnfehler zeigen
  • keine Gelenk-/Wirbelsäulenprobleme haben
  • nicht unter Allergien leiden
  • moderate Fellfülle zeigen
  • keine blauen Augen haben.
  • keine Träger des PRA-Defektgens sind.

Nach meinen Erfahrungen in den letzten 15 Jahren gibt es den gesunden Großspitz nur noch selten, dagegen den Großspitz, der ein oder mehrere der oben genannten Krankheitsmerkmale zeigt, sehr viel häufiger. Für mich ist dies ein klares Zeichen, dass es um die genetische Vielfalt in der heutigen europäischen Großspitzpopulation miserabel bestellt ist. Eine Änderung zum Besseren ist nicht in Sicht, da der verantwortliche Rassezuchtverein keinerlei Anstrengungen unternimmt der weiteren genetischen Verarmung in der Großspitzpopulation entgegenzuwirken. Im Gegenteil, durch die rigide Genehmigungspolitik der Hauptzuchtwartin bei den Verpaarungen der Registerhunde wird die aktuelle Situation eher verschärft.

 

Dabei gibt es einen einfachen Ausweg aus dem Dilemma: die Einkreuzung von fremden Rüden. In der Praxis bedeutet dies die Verpaarung von Großspitzhündinnen mit Wolfsspitz- oder Mittelspitzrüden, eine Vorgehensweise, die im Verein für Deutsche Spitze streng verboten ist und somit nur Züchtern zur Verfügung steht, die nicht im VDH-Rassezuchtverein für Deutsche Spitze züchten.

 

Ich habe mich daher entschieden, als Züchter in den IHV (internationaler Hundeverein) einzutreten. Der IHV bietet mir als Züchter die Zuchtbedingungen, die auch im VDH geboten werden wie Ausstellungen, Fortbildungen, Zuchtzulassung, Betreuung und Kontrolle durch Zuchtwarte sowie ein Zuchtbuchamt, das mir die für das Zuchtgeschehen notwendigen Papiere und Nachweise ausstellt.

 

Der entscheidende Unterschied zum Zuchtgeschehen im VDH besteht darin, dass die Zuchtordnung im IHV für die Deutschen Spitze die Verpaarung von unterschiedlichen Varietäten, also Großspitz mit Wolfsspitz oder Großspitz mit Mittelspitz erlaubt. Damit ist es mir möglich, meine Zucht bunter Großspitze in einem anerkannten Hundedachverband zu führen und vorzustellen.